John Lennon - Ein Märtyrer?

Fünf Jahre lang hatte er sich zurückgezogen, ging nicht mehr ins Studio, gab keine Konzerte mehr, widmete seine Zeit ausschließlich dem trauten Heim und seinem Sohn Sean. Die Geschäfte John Lennon bei den Aufnahmen zu Double Fantasywurden von Ehefrau Yoko Ono geführt, John hatte nichts damit zu tun. Fünf Jahre lang. Gegen Anfang 1980 hatte John Lennon jedoch bereits wieder einige Lieder fertig und irgendwie überkam es ihn wieder: Er wollte wieder arbeiten, er wollte wieder dorthin zurück, wo er nach der Geburt von Sean stehengeblieben war. So schrieb er noch weitere Lieder und ging wieder zurück ins Studio. Mit Yoko an seiner Seite nahm er sein großes Comeback-Album Double Fantasy auf. Der einstige Kopf der Beatles war wieder in seinem Element. Aufnahmen zu einem weiteren Album waren so gut wie fertig, eine Tournee, sowie ein Musical über sein Leben mit Yoko waren in Planung. Doch am 8.Dezember 1980 sollte sich alles schlagartig ändern.

Mark David Chapman, Mitte 20, stammte aus Texas, lebte jedoch seit drei Jahren in Hawaii. Er sah sich zufolge der Angaben seines Verteidigers sowie mancher Autoren selbst als den wahren John Lennon, der das falsche Trugbild eliminieren müsse. An seinem letzten Tag als Wachmann in einem Apartment Hochhaus trug sich Chapman angeblich in seinem Dienstplan als John Lennon gibt seinem späteren Mörder ein Autogramm John Lennon ein. An jenem 8.Dezember 1980 wartete Chapman wie viele andere Fans vor dem Dakota Building, in dem Lennon seit 1972 mitsamt Familie residierte. Als der Ex-Beatle mit Gattin Yoko vor die Tür trat, hielt ihm Mark David Chapman nervös eine Ausgabe von Lennons zuletzt veröffentlichter LP Double Fantasy hin. Lennon gab bereitwillig sein Autogramm und stieg in den Wagen, der ihn direkt ins Aufnahmestudio zu den Arbeiten an seiner neuen LP Milk And Honey führte. Keiner konnte zu dem Zeitpunkt ahnen, daß Mark David Chapman Stunden später John Lennon erschießen sollte. Paul Goresh, ein Fotograf, der John Lennon dabei fotografierte, als dieser seinem späteren Mörder besagtes Autogramm gab, wurde vor seiner Abfahrt vom Dakota Building von Mark David Chapman gefragt, ob er ihn nicht mitnehmen könne, was er jedoch verneinte. Was geschehen wäre und auch nicht geschehen wäre, hätte er ihn mitgenommen, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Spätnächtens des 8.Dezember, als die Lennons nach getanem Tageswerk wieder im trauten Heim anlangten, stand Chapman noch immer dort."Mr.Lennon?" fragte er, nachdem das Ehepaar die Schwelle zum Eingang in das Dakota Building überschritten hatten. John Lennon drehte sich um und wurde von fünf Schüssen niedergestreckt. Der Hausmeister hörte die Schüsse, die Hilferufe von Yoko Ono und eilte zur Hilfe. Nachdem er Lennon erstversorgt hatte, rief er die Polizei sowie einen Notarztwagen. Mark David Chapman sah sein Werk als getan an, als er sein Idol am Boden liegen sah, ließ die Waffe sinken und las laut aus dem Buch Der Fänger im Roggen vor. Als die Polizei eintraf, wurde Chapman umgehend festgenommen. Er leistete keinen Widerstand. Gefragt von dem ermittelnden Krininalbeamten Steve Spiro, ob er sich darüber im Klaren sei, was er getan habe, antwortete Chapman gelassen: "Ich schätze, ich habe soeben John Lennon erschossen.". Später gab er an, in seinem Kopf die sich sändig wiederholende Stimme gehört zu haben, die ihm immer wieder sagte: "Tu es! Tu es!". Währenddessen wurde der schwer verletzte John Lennon von der Polizei in die Notaufnahme des nächstgelegenen Krankenhauses gebracht, da der Notarztwagen zu lange zum Tatort gebraucht hätte. Unterwegs konnte er noch die Frage, ob er wusste, wie er hieß, mit einem Kopfnicken beantworten. Kurze Zeit, nach dem er im Spital ankam, konnte jedoch nur mehr sein Tod festgestellt werden. John Lennon, 40 Jahre alt, starb drei Minuten vor der Ankunft im Krankenhaus.

Anfang Oktober 2000 hatte Mark David Chapman seine erste Anhörung für eine Entlassung wegen guter Führung. Doch das Komitee entschied gegen seine Freilassung. Hauptsächlich aus politischen Gründen:
John Lennon stellte für die amerikanische Jugend ein Symbol für hoffnungsvolle Zukunft und Frieden dar. Chapmans Freilassung würden viele amerikanische Bürger mit großem Unmut gegenüberstehen. Nach dem amerikanischen Recht ist zwar 2002 eine nächste Anhörung möglich, doch ist es fraglich, ob der einstige Mörder John Lennons, ein praktizierender Christ, jemals die Gefängnismauern verlassen wird. Sein Pech, dass er sich entschieden hat, ausgerechnet John Lennon zu ermorden!

Was stellt John Lennon heute, am Übergang zum einundzwanzigsten Jahrhundert, zwanzig Jahre nach seinem Tod, dar? Durch seinen frühen gewaltsamen Tod wird ihm Märtyrerstellung John Lennon 1971 eingeräumt. Dabei fragt sich jedoch, wie diese wirklich begründet wird: Wofür ist John Lennon gestorben? Argumentierbar wäre, daß gerade sein Engagement für den Weltfrieden und seine unverblümten Äußerungen im Sinne einer sozialen Gerechtigkeit in vielen seiner Lieder ihn zu einer solch kontroversiellen Persönlichkeit machten, daß diese letztendlich zu seiner Ermordung geführt haben. Diese Argumentation übersieht jedoch, daß keine handfesten Argumente, sondern pure Begeisterung verbunden mit hochgradiger Schizophrenie des Mörders ausschlaggebend für die Tat waren. Mag dies auch eine Sichtweise sein, die nicht einer gewissen Vereinfachung entbehren mag, so kann man Lennons Tod doch nicht als Folge seiner politischen Ambitionen ansehen. Man sollte sich daher nicht mit Fragen herumschlagen, ob John Lennon ein Märtyrer war. John Lennon war ein Musiker und Poet, der zuerst mit den Beatles und später als Solokünstler ein Talent dafür hatte, in seinen Liedern die Gefühle und Gedanken der Jugend in dieser Zeit auf einen Punkt zu bringen. Insofern fungierte er auch als Sprachrohr der Jugendbewegung. John Lennon 1968Hiebei kommt John Lennon auch zugute, dass die von ihm aufgegriffenen Themen von einer Zeitlosigkeit beherrscht sind. Mag er auch durch den Vietnamkrieg veranlasst worden sein, die Friedenshymne Give Peace A Chance zu Papier zu bringen, so ist das Thema per se doch ein solches, das solange nicht an Gültigkeit und Aktualität verlieren wird, solange es noch kriegführende Staaten auf der Welt gibt. Viele Lieder Lennons haben den gleichen Grundtenor: Der Ausdruck der massiven Unzufriedenheit mit der derzeitigen sozialen Situation. Für einen Großteil der Weltbevölkerung hat sich an dieser Unzufriedenheit bis heute nichts geändert. Hat John Lennon also versagt? Nein. Man darf nie vergessen, daß Lennon kein UN-Generalsekretär war, sondern Musiker, der sich Gedanken machte und diese versuchte, so gut wie möglich rüberzubringen. Dies zeigt sich schon daran, daß sich politische Themen zwar wie ein roter Faden durch seine Arbeit ziehen, jedoch darin auch viele Lieder zu finden sind, die Themen wie Liebe, Familie, Haus und Heim zum Inhalt haben. Durch seine Lieder wollte er lediglich seine Gedanken mit allen Leuten, die seine Musik hörten, teilen. Die Relevanz, die vor allem die "politischen" Lieder in der Folge bis in die heutige Zeit bekommen haben, zeigen, dass John Lennon auf seinem Gebiet sehr erfolgreich war, und das nicht nur in kommerzieller Hinsicht. Die Welt zu verändern war nicht seine Aufgabe, zumal ein einfacher Musiker dies nicht erreichen kann, sondern lediglich da und dort gewisse gedankliche Anstöße bei seinem Zielpublikum geben kann. Das jedoch konnte John Lennon wie kaum ein anderer. In dieser Funktion sollte - 20 Jahre nach seinem Tod - der Menschheit in Erinnerung bleiben.


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